Mit dem Malen verarbeitet der Künstler Marlon Nikolai unter anderem einschneidende Erlebnisse. Seinen jetzigen Stil fand er beim Versuch, existenzielle Fragen malerisch zu beantworten. Schon früh auf die Vergänglichkeit und Kontingenz des Lebens verwiesen, markieren der jähe Verlust der Mutter und die Verantwortung der eigenen Vaterschaft Marlon Nikolais Biografie.
Wider das Konzept, gegen die Maximen planbaren Lebens, bilden der offene Prozess, die Improvisation und die Zufälligkeit sein Verständnis vom Dasein und seiner Kunst. Es ist schwierig von einer allgemeinen Arbeitsweise zu sprechen, da er scheinbar an jedes Kunstwerk den Anspruch stellt, sich neu zu erfinden… Ganz im Leitsatz seines Arbeitsethos, neugierig zu bleiben und sich zu entwickeln… Sein Ansatz immer wieder als gelungen erachtete, zufällig entstandene Abstraktion auszuwählen und wie ein Symbol einzusetzen und zu wiederholen ist neu in der Kunstgeschichte und wird von ihm symbolischer Expressionismus genannt. Ebenfalls immer wiederkehrend in seinem Werk sind der bewegungsstarke Pinselduktus, der Spachtelschwung durch Farbfelder, der seine temperamentvollen Bildanfänge bildet. Eine sich immer erweiternde Symbolsammlung und kryptisch eingesponnene Zeichen aus erinnerter Kindheit wachsen sich zu klar begrenzten Bildräumen im Bild aus und wiederholen sich rhythmisch. Im Nebeneinader illustrieren Orte, Begegnungen und Erinnertes, wie z. B. Keksrezepte aus Kindertagen (baking cookies with the angels), eine halluzinatorisch übersteigertes Erinnern. „Erinnerungen sind wie ein Muskel, wir können sie trainieren. Manche Bereiche sind aber über die Jahre so in Hintergrund getreten, dass es uns schwerfällt sie anzusteuern, wie manchen der kleine Zeh oder die Ohren. Doch wenn wir es trainieren, können wir uns bis in die frühen Tage unsere Kindheit erinnern, bis zu unserer Geburt und darüber hinaus. Und daher kommen die stärksten Bilder“ betont Marlon Nikolai
Kontrastreich, mit expressiven Farben und einem lebendigen Duktus sind diese Gemälde. Sie verbinden kindliche Jenseitsvorstellungen und gedankenlos losgelöste Bilder mit metaphysischen Formeln und Erklärungen. Sind Produkte seines künstlerischen Schaffens. Die gegensätzlichen Erlebnisse aus Tod und Geburt, Ekstase und Schwermut sowie alltägliche Banalitäten und großen Momenten bestimmen auch die unterschiedlichen Stile und Stimmungen, die seine Bildwelten transportieren und laden den Betrachter zu einem einmaligen Dialog ein. Beim Betrachten wird einem das Gefühl vermittelt, dass in all dem Chaos doch Gesetzmäßigkeiten stehen, die es gut mit uns meinen. Sein Arbeiten mit Zufällen verspricht, dass nicht alles kontrolliert werden muss und im Dunkel Licht und Farben geborgen sind.
~cultureroom
Marlon Nikolai, malerische Grundausbildung bei Leif Skoglöf, 2018 Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg, und 2021 Stipendium an der Ècole des Beaux Arts in Frankreich.
Kunstschaffende beschäftigen sich tiefgehend mit den Empfindungen und Gefühlen als Träger der Gedanken. Sie loten aus, benennen und versuchen sie zu begründen, darzustellen oder zu evozieren. Jede feinste Nuance wird durchleuchtet. Dies führt nicht selten dazu, dass Kunstschaffende auf Unverständnis stoßen, wenn sie über Immaterielles sprechen. Dies liegt zum einen an den Vokabellücken. Vergleicht man dies mit einem Atomphysiker, der über sein Sujet spricht, wird es ihm zu folgen als Fachfremder ebenfalls schwerfallen. Möchte der Naturwissenschaftler verstanden werden, so ist ihm zu raten, mit den Grundlagen seines Faches zu beginnen. Kunstschaffende sollten ebenfalls, wenn sie verstehen und verstanden werden möchtes, es der Naturwissenschaft gleich tun und in ihre Komplexität mit selben didaktischem Feingefühl einleiten. Zum anderen unterscheiden sich die beiden Disziplinen durch ihre verschiedenen Ontologien. Dies ist wissenschaftstheoretisch nicht verwunderlich. Die breiter akzeptierte Ontologie der Naturwissenschaft steht nicht selten, der konstruktivistischen Kunst diametral gegenüber. Daher umso kostbarer die Kunst, die weder rein positivistische noch interpretivistische Epistemologie ist, sondern sie synthetisiert. Und plötzlich ist 1 + 1 nicht gleich 2, auch nicht 3 oder grün, sondern 1 + 1 wird eine grüne 2. Dieses Phänomen lässt erst das Klischee des wahnsinnigen Künstlers entstehen, da dies die einfachste Möglichkeit ist, schwer erklärliches hinter Pseudoverständnis zu tarnen…
Es wird wohl etwas Größeres hinter den Dingen geben, da alles im Leben ein für uns bloß schemenhaft zu erkennendes, undefinierbares Ziel verfolgt. Darum sind wir, die Erkennenden, kosmisch relevant.
Umso wichtiger ist es innere Gedankenwelten erfahrbar zum Ausdruck zu bringen und falls dies nicht alleinstehend durch das Kunstwerk gelingt, dieses nicht elaborativ alleinstehend zu lassen, sondern dem Betrachtenden durch Kontext die Chance zu Erkennen. Da Kunst ein wichtiger Teil einer Wahrheits- und Erkenntnisfindung ist! Tiefes Kunstverständnis, sprich sich der Aufgabe anzunehmen, das größte Geheimnis allen Existierens zu ergründen und erfahrbar zu gestalten, setzt somit aufgrund fehlender vorgefertigter Methodologien eine synästhetische und anachronistische Welt-, Raum- und Zeitanschauung voraus